Der Pechvogel

Es lebte einmal ein junger Mann, der hatte in seinem Leben nichts als Pech.

Eines Tages nun, hatte er genug davon und er dachte bei sich:
„Ich will zum lieben Gott gehen, und ihn bitten, dass er einen Glückspilz aus mir macht.“

Gesagt, getan. Er machte sich auf den Weg und kam schließlich in einen Wald.

Am Waldrand begegnete ihm ein Wolf. „Bleib stehen junger Mann, wohin gehst Du?“
„Ich gehe zum lieben Gott. Ich will, dass er einen Glückspilz aus mir macht.“
„Wenn du zum lieben Gott gehst, dann frage ihn doch, warum ich immer so hungrig bin, und nie genug zu essen habe.“
„Das will ich tun.“ Und mit diesen Worten ging er weiter.

Schließlich gelangte er an eine Lichtung, da stand ein kleines Häuschen, ein kleiner See war davor.
Ein junges Mädchen saß am See und weinte bitterlich.
Als sie den jungen Mann entdeckte, rief sie ihn an: „Junger Mann wohin gehst du?“
„Ich gehe zum lieben Gott, ich will, dass er einen Glückspilz aus mir macht.“
„Wenn du zum lieben Gott gehst, dann frage ihn doch, warum ich immer so traurig bin.“
„Das will ich tun.“ Und schon war er fort.

Weiter ging’s durch den Wald, an einem Fluss entlang. Da stand ein großer Baum, der war, obgleich er doch am Wasser stand, fast vertrocknet.
Der Baum rief den Jungen Mann an: „Junger Mann, wohin gehst du?“ „Ich gehe zum lieben Gott, ich will, dass er einen Glückspilz aus mir macht.“
„Wenn du zum lieben Gott gehst, dann frage ihn doch, warum ich immer so durstig bin, obwohl ich direkt am Wasser stehe.“ „Das will ich tun.“

Bald danach fand der junge Mann den lieben Gott: „Lieber Gott, ich habe genug davon immer ein Pechvogel zu sein, ich will, dass Du einen Glückspilz aus mir machst.“ „Gut, so soll es sein.“
beinahe hätte der junge Mann vergessen, die anderen Fragen zu stellen, es fiel ihm aber gerade noch ein und der liebe Gott gab ihm die Antworten.

Voller Freude, dass er jetzt ein Glückspilz war, trat der junge Mann den Rückweg an.

Er wäre beinahe an dem Baum vorüber gelaufen, aber der rief ihn an: „Junger Mann, junger Mann, warst du beim lieben Gott, hast du Antwort?“
Da hielt er inne. „Ach ja, der liebe Gott hat gesagt, du bist deshalb so durstig, weil unter deinen Wurzeln ein Schatz vergraben liegt. Wenn der gehoben wird, kommen deine Wurzeln wieder ans Wasser.“
„Kannst Du nicht den Schatz ausgraben, er soll auch dir gehören.“
„Ja, das würde ich gerne, aber ich habe jetzt keine Zeit. Ich bin doch jetzt ein Glückspilz.“ Und er lief weiter.

Als er zu dem Häuschen am See kam, wäre er beinahe vorbeilaufen, aber das junge Mädchen sprach ihn an: „Junger Mann, junger Mann, warst du beim lieben Gott, hast du Antwort?“
Da hielt er inne. „Ach ja, der liebe Gott hat gesagt, du bist deshalb so traurig, weil du so alleine bist. Ein junger Mann wird vorbei kommen, ihr werdet euch in die Augen sehen, und vielleicht werdet ihr euch ineinander verlieben.“
Da sah sie ihn an: „Möchtest du hier bei mir bleiben, und meine Einsamkeit vertreiben?“
Der junge Mann sah in die strahlenden Augen des Mädchens: Ja, das würde ich gerne tun, aber ich habe keine Zeit, ich muss nach Hause, ich bin doch jetzt ein Glückspilz.“ Und schon war er fort.

Schließlich gelangte er zum Waldsaum, wo der Wolf ihn schon ungeduldig erwartete: „Nun, warst du beim lieben Gott, hast du Antwort?“
„Ach ja, der liebe Gott hat gesagt, du bist immer so hungrig, weil du nie genug zu essen kriegst. Und wenn der Narr bis hierhin kommt, kannst du ihn verspeisen.“

(mündlich überliefert | nacherzählt von Jana Raile) | 01.11.2008

Print Friendly, PDF & Email